“Proximity Bias”: Warum Mitarbeitende im Homeoffice bei Beförderungen oft übergangen werden
Die letzten Jahre haben gezeigt, dass das Homeoffice in vielen Branchen und Arbeitsbereichen als flexibles Arbeitsmodell unverzichtbar geworden ist. Für viele Mitarbeitende bietet die Arbeit von zu Hause die Möglichkeit, Beruf und Privatleben besser zu vereinbaren, produktiver zu arbeiten und sich ihre Zeit selbstständig einzuteilen. Doch obwohl Remote-Arbeit zahlreiche Vorteile hat, gibt es einen Nachteil, der immer wieder diskutiert wird: Mitarbeitende im Homeoffice werden bei Beförderungen häufiger übergangen als ihre Kolleginnen und Kollegen im Büro. Dies hat zuletzt auch eine Studie von McKinsey belegt.
Präsenz und Sichtbarkeit: Die unterschätzten Faktoren
In vielen Unternehmen zählt nicht nur, was man leistet, sondern auch wo und wie man seine Leistungen präsentiert. Mitarbeitende, die regelmäßig im Büro präsent sind, werden schlicht häufiger gesehen. Sie haben die Möglichkeit, sich direkt mit Vorgesetzten auszutauschen, an spontanen Meetings teilzunehmen oder sich informell über Kaffeegespräche ins Gespräch zu bringen. Diese Art der Sichtbarkeit trägt oft dazu bei, dass Büromitarbeitende bei Beförderungen bevorzugt werden.
Im Homeoffice dagegen fehlt dieser direkte Kontakt. Auch wenn Mitarbeitende remote genauso hart arbeiten, fehlt oft die “Bühne”, um ihre Erfolge angemessen zu präsentieren. Out of sight, out of mind – diese Redewendung fasst die Problematik gut zusammen. Vorgesetzte könnten die Leistungen von Remote-Mitarbeitenden schlicht übersehen, weil sie weniger präsent sind und damit im Tagesgeschäft in den Hintergrund rücken.
Die “Proximity Bias”-Falle
Ein weiteres Phänomen, das diese Ungleichheit bei Beförderungen verstärkt, ist der sogenannte Proximity Bias – die unbewusste Bevorzugung von Personen, die physisch näher an uns dran sind. Führungskräfte neigen dazu, die Leistung von Mitarbeitenden, die regelmäßig im Büro arbeiten, höher zu bewerten, auch wenn die tatsächlichen Ergebnisse der Remote-Mitarbeitenden ebenso gut oder sogar besser sind.
Dieser Nähe-Vorteil kann dazu führen, dass Büromitarbeitende schneller befördert werden, weil sie als engagierter, loyaler und präsenter wahrgenommen werden. Remote-Arbeitende hingegen werden in ihrer Leistung oft unterschätzt, da ihnen der tägliche physische Kontakt zu den Entscheidungsträgern fehlt.
Fehlende Netzwerkmöglichkeiten
Ein weiterer Faktor, der Homeoffice-Mitarbeitenden in die Quere kommt, ist das Fehlen spontaner Networking-Möglichkeiten. Der tägliche Austausch im Büro – sei es bei der Mittagspause oder im Flur – schafft eine Grundlage für informelle Beziehungen, die im späteren Verlauf der Karriere entscheidend sein können. Diese informellen Gespräche und persönlichen Verbindungen können langfristig den Unterschied machen, wenn es um Beförderungen oder neue Projekte geht.
Im Homeoffice fehlt diese Gelegenheit oft, da der Austausch meist auf formelle Meetings beschränkt bleibt. Selbst regelmäßige virtuelle Meetings ersetzen den persönlichen Kontakt und die damit verbundenen Netzwerkmöglichkeiten nur begrenzt. Wer remote arbeitet, hat daher weniger Gelegenheit, sich intern sichtbar zu machen und seine Beziehungen im Unternehmen zu stärken.
Wie können Mitarbeitende im Homeoffice dem entgegenwirken?
Auch wenn Mitarbeitende im Homeoffice oft weniger sichtbar sind, gibt es Möglichkeiten, um ihre Karrierechancen zu verbessern und im Gespräch zu bleiben:
- Proaktive Kommunikation
Homeoffice-Mitarbeitende sollten bewusst und regelmäßig den Kontakt zu ihren Vorgesetzten suchen. Ein kurzes Update zu laufenden Projekten oder Erfolge, die man erzielt hat, können dabei helfen, die eigene Arbeit ins Bewusstsein der Führungsebene zu rücken. - Teilnahme an Meetings und Veranstaltungen
Auch wenn man remote arbeitet, sollte man nach Möglichkeit an Unternehmensveranstaltungen teilnehmen – sei es vor Ort oder virtuell. Dies zeigt Präsenz und Engagement. Wichtig ist, auch in virtuellen Meetings aktiv zu sein, sich einzubringen und die eigene Meinung zu äußern. - Sichtbare Ergebnisse präsentieren
Im Homeoffice ist es entscheidend, die eigenen Erfolge sichtbar zu machen. Hier kann ein regelmäßig aktualisiertes Portfolio an Projekten und erreichten Zielen helfen, das eigene Können zu demonstrieren. Dies sollte auch schriftlich festgehalten und bei wichtigen Feedback-Gesprächen thematisiert werden. - Mentoring und Sponsorship suchen
Ein Mentor oder eine Mentorin innerhalb des Unternehmens kann eine wertvolle Stütze sein, um auf die eigene Leistung aufmerksam zu machen. Noch besser ist ein sogenannter Sponsor – eine Führungskraft, die aktiv dafür eintritt, dass man bei wichtigen Entscheidungen berücksichtigt wird. Dies kann vor allem für Remote-Mitarbeitende von großem Vorteil sein, um sichtbar zu bleiben.
Was können Unternehmen tun?
Um eine faire Bewertung aller Mitarbeitenden – egal ob im Büro oder remote – zu gewährleisten, sollten Unternehmen ihre internen Prozesse und Bewertungsmaßstäbe hinterfragen. Objektive Kriterien zur Leistungsbewertung und klare Kommunikation über Karrieremöglichkeiten sind essenziell, um unbewusste Vorurteile zu minimieren. Zudem sollten Führungskräfte regelmäßig Schulungen zu Themen wie Proximity Bias und Gleichbehandlung von Remote-Mitarbeitenden erhalten.
Karriere im Homeoffice – Sichtbarkeit bewusst gestalten
Auch wenn das Homeoffice zahlreiche Vorteile bietet, zeigt sich in vielen Unternehmen eine ungleiche Behandlung, wenn es um Beförderungen geht. Mitarbeitende im Büro haben aufgrund ihrer höheren Präsenz oft die besseren Karten, wenn es um Karrieresprünge geht. Doch Remote-Arbeitende können aktiv gegensteuern, indem sie ihre Sichtbarkeit und Kommunikation bewusst gestalten. Für Unternehmen wiederum gilt es, faire Strukturen zu schaffen, in denen Leistung vor Präsenz zählt – unabhängig davon, ob jemand im Büro oder im Homeoffice arbeitet.